Realsch1
Holocaust-Gedenktag

Schüler setzen Zeichen gegen Antisemitismus und Rassismus

Schöningen  Das Wiedererstarken von Hetze und Hass steht im Mittelpunkt der Schöninger Holocaust-Gedenkstunde im Anna-Sophianeum.     Markus Brich   25.01.2019 - 17:13 Uhr

Holocaust

Paul Hoffmann, Antonia Schrader und Iven Pudwell von der Realschule Schöningen verlasen Zeitungsmeldungen, die aktuelle antisemitische Vorfälle dokumentieren. Foto: Markus Brich

Nazi-Schmierereien an Hauswänden in Helmstedt, mit Hakenkreuzen verunstaltete Stolpersteine und Gedenktafeln in Braunschweig, der Fußball-Trainer einer Amateurmannschaft, der dem gegnerischen Team droht: „Wir schicken Euch nach Auschwitz!“ Die Schöninger Realschüler Antonia Schrader, Paul Hoffmann und Iven Pudwell verlesen Zeitungsmeldungen aus den zurückliegenden zwei Jahren, die antisemitische Vorfälle in unserer Region dokumentieren.

In der Pausenhalle des Schöninger Gymnasiums Anna-Sophianeum ist es still am Freitagvormittag. Die drei Schüler rufen mit den Medienmeldungen ins Bewusstsein, dass Antisemitismus und Rassismus in Deutschland keineswegs überwundene Probleme der Vergangenheit sind.

 „Ich habe bis vor wenigen Jahren geglaubt, dass wir in Deutschland die rechte Gesinnung und Rassismus zum größten Teil überwunden und aus unserer Vergangenheit gelernt haben“, gesteht Schulleiter Michael Kluge den mehr als 400 Teilnehmern der schulübergreifenden Holocaust-Gedenkfeier. „Doch ich muss jetzt entsetzt feststellen, dass es nicht so ist und es in unserer Bevölkerung wieder Menschen gibt, die einem menschenverachtenden und rechtsextremen Gedankengut anhängen.“ Ihm sei es deshalb wichtig, dass sich Lehrer und Schüler gemeinsam gegen den wieder aufkeimenden Rassismusgedanken und gegen rechte Hetzparolen zur Wehr setzten. Seine Schüler fordert Kluge auf: „Ihr seid die Zukunft unseres Landes. Von Euch hängt vor allem ab, in was für einem Land Ihr künftig leben werdet. Lasst uns heute unserer schlimmen Vergangenheit gedenken und weiter gemeinsam gegen Rassismus und Hetze, Lügen und rechtsextreme Gedanken angehen. Denn sie haben schon in der Vergangenheit zu Tod und Vernichtung geführt – und das würden sie auch in Zukunft wieder tun.“

Initiator der Holocaust-Gedenkstunde in Schöningen ist der Arbeitskreis Stolpersteine um Rosemarie und Manfred Saak und Heidi Rank. Sie erinnern mit Bildern und Musik an die Schöninger Opfer des Nazi-Terrors, den Schülerin Gesa Bothe mit eindrucksvollen Worten in Erinnerung ruft.

Es gäbe in unserer Region nicht viele Schulen, die in dieser Klarheit Stellung beziehen, lobt Armin Maus, Chefredakteur unserer Zeitung und Gastredner der Gedenkfeier, das Engagement der Schöninger Schulen: „Ich finde es großartig, dass Ihr Euch heute an die Menschen erinnert, die in dieser Stadt Opfer der Nationalsozialisten geworden sind“, zollt er den Jugendlichen seinen Respekt. „Das schulden wir den Opfern – und das schulden wir unserer eigenen Ehrlichkeit.“

In einer sehr persönlich gefärbten und anschaulich geprägten Betrachtung zur Zeit schlägt der Journalist einen weiten Bogen, der von der Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit der eigenen Großväter, dem heutigen Alltag der Juden in Deutschland, der Entfremdung Europas bis hin zu seinen Erfahrungen als Chefredakteur reicht, der sich „mindestens einmal in der Woche den Anfeindungen von knallharten Rassisten und dem Vorwurf der Lügenpresse“ entgegenstellen muss.

„Der Mord an den Juden im Dritten Reich ist auch vorbereitet worden durch eine Tendenzpresse, die den Leuten eingeredet hat, dass Juden gefährlich seien“, ruft Maus in Erinnerung und stellt klar: Die Freiheit der Presse heute verhindere, dass wir manipuliert werden.

So lautet der Rat des Journalisten an die Jugendlichen: „Seht Euch die Tatsachen an, macht Euch selber klug! Und macht den Mund auf, wenn Ihr mitkriegt, dass gegen Juden, gegen Ausländer, gegen Schwule oder Schwarze gehetzt wird!“ Diesen Schlusssatz quittieren Schüler mit kräftigem Applaus.

Den erhalten auch die Schülerinnen Muriel Kühl, Merle Franetzki, Lea Schomburg sowie Luna Wiesner, Vivienne Zimmermann und Emily Harsing für ihre besinnlichen musikalischen und lyrischen Zwischentöne in der Holocaust-Gedenkfeier.